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13.02.2014 | Reden

Der Bundespräsident gratuliert zu Tschechisch bzw. Slowakisch und Deutsch für Kinder und Jugendliche vom Kindergarten bis zur Matura: "Ein großes Plus im geeinten Europa"



Besuch von Bundespräsident Heinz Fischer bei den Bildungseinrichtungen des Schulvereins Komensky

1030 Wien, Sebastianplatz 3, Donnerstag, 13. Februar 2014

Sehr geehrte Damen und Herren,

Liebe Schülerinnen und Schüler der Komensky-Schulen!

Dobrý den, vážení host?! (Guten Tag, liebe Gäste!)

Herzlichen Dank für den liebenswürdigen Empfang bei meinem ersten Besuch in Ihrer Schule . Die Anregung dazu hat BR a.D. Albrecht Konecny, ein großer Freund Ihrer Schule und des Schulvereines Komensky gegeben. Und zwar bei einem gemeinsamen Zusammentreffen mit dem tschechischen Staatspräsidenten Zeman im Oktober 2013 in Cesky Krumlov (Krumau) und Freistadt aus Anlass der grenzüberschreitenden Landesausstellung des Landes Oberösterreich mit Südböhmen.

Diese Ausstellung mit dem Titel „Alte Spuren. Neue Wege“, die neben cesky Krumlov (Krumau) und Freistadt auch das Kloster Vyšší Brod und Bad Leonfelden als Standorte einbezog, dokumentierte in sehr anschaulicher Weise die gemeinsame Kulturgeschichte des Raumes zwischen Donau und Moldau. Grenzüberschreitende Initiativen wie diese Ausstellung sind wichtige Symbole für die engen Beziehungen zwischen Österreich und Tschechien. Und ebenso bedeutsam sind gemeinsame österreich-slowakische Initiativen und ebenso eng und freundschaftlich sind die Beziehungen Österreichs mit der Slowakei.

Ich freue mich sehr , dass auch die Botschafter Tschechiens und der Slowakei, S. E. Herr Dr. Jan SECHTER und S.E. Herr Dr. Juraj MACHAC sowie Österreichs Botschafter in Prag S.E. Herr Dr. Ferdinand TRAUTTMANSDORFF heute anwesend sind und begrüße sie sehr herzlich.

Unsere drei Länder – Österreich, die Tschechische Republik und die Slowakische Republik – verbindet vieles: unsere Geschichte, Kultur, die geografische Lage in der Mitte Europas, eine enge wirtschaftliche Verflechtung und vor allem auch eine Vielzahl von menschlichen Kontakten privater und beruflicher Natur.
Als Mitglieder der Europäischen Union haben Österreich, das der EU seit Jänner 1995 angehört, und Tschechien und die Slowakei, die am 1. Mai 2014 das 10 Jahres-Jubiläum ihrer EU-Mitgliedschaft begehen werden, eine Vielzahl gemeinsamer Interessen. Sowohl was die Entwicklung der EU als auch unsere Beziehungen zu sog. Drittstaaten betrifft.

Ein Element, das uns trennt, ist die Sprache – zumindest die Sprache der jeweiligen Bevölkerungsmehrheiten. Es gibt zwar in Österreich nicht wenige Menschen, die tschechisch oder slowakisch sprechen: Angehörige der gesetzlich anerkannten Volksgruppen, Zuwanderer, Menschen mit familiären oder beruflichen Verbindungen zu unseren Nachbarländern oder Menschen, die einfach aus Interesse Sprachen lernen. Und ebenso gibt es in Tschechien und in der Slowakei viele Menschen, die Deutsch sprechen oder es lernen. Aber es wäre gut und nützlich, wenn es noch viel mehr wären. Denn Zwei- oder Mehrsprachigkeit bringt Menschen zusammen und ist in vieler Hinsicht eine Bereicherung.

Ich selbst spreche neben Deutsch ganz gut Englisch und verstehe ein bisschen Französisch, aber leider keine slawische Sprache. Und ich beneide und beglückwünsche jeden/e, der mehrere Sprachen spricht oder zumindest verstehen kann. Besonders glücklich schätzen können sich, so meine ich, Menschen, die mit zwei oder mehreren Sprachen aufwachsen, die sich in mehreren Sprachen zu Hause fühlen und ohne Probleme von einer in die andere wechseln können. Dies ist eine Gabe, die sehr wertvoll ist, Freude und Spass bereitet und einem im Leben Türen öffnet, die Menschen, die nur eine Sprache sprechen, verschlossen bleiben.



Liebe Schülerinnen und Schüler,

Ihr gehört zu jenen Menschen, die die Gabe der Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit haben und denen sie sichtlich Freude macht. Das habt ihr mir mit Euren beeindruckenden Darbietungen eben bewiesen.

Ich gratuliere Euch dazu.

Und ich danke Euch und Euren Lehrerinnen und Lehrern herzlich, dass Ihr meinen Besuch in Eurer Schule so schön und liebenswert gestaltet.

Gelebte Zweisprachigkeit vom Kindergarten bis zur Matura ist das Motto Eurer Schule. Und Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit ist im heutigen geeinten Europa ein großes Plus, fast möchte ich sagen, ein Muss. Als Mitglieder der Europäischen Union trennen uns keine Grenzen mehr; Reisen, Studieren und Arbeiten in anderen EU-Ländern ist heute einfacher als jemals zuvor. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Wissenschaft und Forschung, Kultur und Sport sind grenzüberschreitend, sind europäisch geworden. Und gerade junge Menschen wie Ihr haben dadurch Möglichkeiten, die für Eure Eltern und Großeltern unvorstellbar waren:

In der Jugendzeit Eurer Eltern war Europa in West und Ost geteilt: der Eiserne Vorhang trennte Österreich von seinen Nachbarstaaten Tschechoslowakei, Ungarn oder Slowenien. Im kommenden Sommer und Herbst werden wir das 25 Jahr-Jubiläum des Falles des Eisernen Vorhangs feiern – ein Ereignis, das einige Jahre vor Eurer Geburt zur Wiedervereinigung Europas geführt hat. Eure Eltern aber können sich an diese historischen Momente – und wie das Leben auf der einen oder der anderen Seite des eisernen Vorhanges war – sicher noch sehr genau erinnern.

Und Eure Großeltern sind in der Zeit des 2. Weltkrieges oder in den Jahren unmittelbar danach geboren. Kriegsszenen, die ihr heute glücklicherweise nur mehr von Medienberichten aus anderen Teilen der Welt kennt, Zerstörung, Vertreibung, Armut und nach dem Krieg die schwierige Phase des Wiederaufbaus und der lange Weg zu dauerhaftem Frieden: davon können Euch Eure Großeltern erzählen. Am 1. September 2014 wird es 75 Jahre her sein, dass mit dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg begann.

Auch die Jahrzehnte davor waren für heutige Generationen unvorstellbar. Vor zwei Tagen haben wir in Österreich des 12. Februar 1934 gedacht: einer Zeit des Bürgerkrieges.

Und im Juli 2014 schließlich wird Europa eines weiteren tragischen Jubiläums gedenken: 100 Jahre zuvor brach in Europa der 1. Weltkrieg aus.

All dies hat sich – das ist mir bewusst – lange vor Eurer Geburt ereignet. Ihr lebt in einem anderen Europa, das ganz andere Sorgen und Probleme hat als das Europa des letzten, des 20. Jahrhunderts. Und doch ist es wichtig, sich manchmal mit der Geschichte unserer Länder und unseres Kontinents zu beschäftigen. Um aus der Geschichte zu lernen. Um Ereignisse, Entwicklungen oder Ängste zu verstehen. Und vor allem auch, um das, was wir in den vergangenen Jahren des Friedens erreicht haben und die Umstände, in denen wir heute leben, mehr zu schätzen.

In diesem Sinne danke ich den Lehrern und Erziehern und dem Schulverein Komensky für alle Bemühungen, den Schülerinnen und Schülern der Komensky-Schulen eine gute, moderne und europäische Erziehung und Bildung mit auf den Weg zu geben.

Und Euch, liebe Schülerinnen und Schüler, danke ich nochmals für Musik, Tanz, Gesang und Gedichte und wünsche Euch weiterhin viel Freude und Erfolg beim Lernen.